Deutliche Kritik von Wirtschaftsvertretern an öffentlichen Schulen


Hart ins Gericht gehen Vertreter der österreichischen Wirtschaft mit der Institution der öffentlichen Schule, so die Zeitschrift ‚trend‘ in der Titelgeschichte ihrer aktuellen Ausgabe (6/2014) . Acht von zehn Unternehmen haben Probleme, qualifiziertes Personal zu finden, wird die Industriellenvereinigung (IV) zitiert. Vertreter der Firmen OMV, Telekom Austria und Böhler klagen, dass sie ins Ausland gehen müssen, um diesen Mangel wenigstens teilweise auszugleichen. Es werden pensionierte Pädagogen engagiert, um den Lehrlingen Grundkenntnisse in Rechnen und Deutsch beizubringen. Das Bildungssystem halte mit den Anforderungen der Gesellschaft nicht Schritt. „Wir brauchen Bildungspflicht, und nicht Schulpflicht: ein völlig neues Konzept mit einer anderen Art des Unterrichts.“, äußerte sich IV-Präsident Georg Kapsch. 

Spitzenplätze belegt das österreichische Schulsystem nur bei den Kosten – die Leistungen sind Mittelmaß. Experten sind überzeugt, dass sich die Schule der Zukunft auf Talente anstatt auf Schwächen fokussieren müsse, die Schüler selbständiger forschen lassen und Teamarbeit fördern müsse. „Kindern wird seit Jahrzehnten Risikobereitschaft, Kreativität und Unternehmergeist ausgetrieben, um sie zu braven Sachbearbeitern zu erziehen“, so Schulkritiker und Buchautor (‚Nie mehr Schule – immer mehr Freude‘) Andreas Salcher.

Als Beispiel für den Erfolg der selbstbestimmten Lernens wird der Amerikaner Jack Andraka genannt. Der 15-Jährige hatte eine Idee, recherchierte im Internet und schrieb einen Forschungsplan für die Entwicklung eines Krebs-Früherkennungstests. Einer von 200 angeschriebenen  Uni-Professoren gab ihm eine Chance – das Ergebnis: ein Test, der 5 Minuten dauert, 90 Prozent zuverlässiger ist als bestehende Verfahren – und nur ein paar Cent kostet.

Es gibt auch – einige wenige – sehr gute Schulen, die als ‚best practice‘-Beispiele zeigen, dass es auch anders geht, wie z.B. Das Wiener LernZentrum, ein privates Oberstufenrealgymnasium, oder die Integrative Lernwerkstatt Brigittenau, in denen engagierte Lehrer, ohne ihre Stunden zu zählen, ihre Energie mit Begeisterung und gutem Erfolg in ihre Schüler, viele aus Einwandererfamilien und mit Sonderpädagogik-Bedarf, investieren.

Tatsächlich scheitert es meist an den Schulleitern und Lehrern, deren Stellen oft genug nicht nach Eignung besetzt werden, in deren Ausbildung zu wenig Wert auf Unterrichtspraxis und Didaktik gelegt wird, die – spätestens ab Mitte 40 – emotional ausgebrannt und erschöpft sind. Außerdem mangelt es an Unterstützungspersonal, wie Sonderpädagogen, Psychologen und Logopäden.

Vorschläge von Bildungsexperten und vorbildliche Beispiele aus anderen Ländern gibt es genug, nur ob und bis wann die Entscheidungsträger in der österreichischen Politik diese beherzigen und umsetzen wollen, ist mehr als fraglich. Bis dahin bleibt Eltern nichts übrig, ihre Kinder an eine der wenigen, guten und teuren privaten Initiativen zu schicken, oder die Ausbildung ihrer Kinder selbst in die Hand zu nehmen.

Der Artikel ist nachzulesen in ‚trend 6/14‘, oder unter folgendem Link:

Kommentar: Der Artikel beleuchtet den Zustand des österreichischen Schulsystems sehr gut und treffend, aber unter einem sehr einseitigen Blickwinkel, nämlich ob es Absolventen hervorbringen kann, die sich gut in das Wirtschaftssystem integrieren lassen und eine gelungene Karriere einschlagen können – wie der Titel deutlich macht. Das ist als Wirtschaftsmagazin natürlich legitim, aber längst nicht hinreichend. Als überzeugter Christ habe ich natürlich noch ganz andere Ziele für die Ausbildung meiner Kinder. Sie sollen nicht nur später ihren Platz in der Wirtschaft einnehmen, sondern mein Wunsch ist es, dass sie Männer und Frauen mit einem integren Charakter werden, dass sie nicht nur auf sich schauen und ihre Karriere, sondern auch auf ihre Mitmenschen, und hoffentlich auch auf Gott.

Als Homeschooling-Vater fällt mit übrigens auf, dass ziemlich viele der Forderungen der Experten, wie z.B. nach frei bestimmten, selbständigen Lernen und Forschen, die Teamarbeit, der fächergreifende Unterricht, die Exkursionen, keine starren Unterrichtszeiten, etc., mehr oder weniger komplett zu den Kennzeichen des Homeschooling gehören. Schade, dass das so wenig gesehen, und das Engagment der Eltern so wenig honoriert wird. Im Gegenteil, über die oft überzogenen Ansprüche der Externistenprüfung an öffentlichen Schulen, werden diese Vorteile des Homeschooling teilweise wieder neutralisiert, und der Spaß am selbstbestimmten Lernen ausgetrieben. Auch hier würde man sich wünschen, dass Österreich über den Zaun schaut, aber bitte nicht in die Bildungsdiktatur Deutschland, sondern in angelsächsische Länder, wo man auf die Prüfung in dieser strengen Form verzichtet, und trotzdem Absolventen hervorgehen, die im Leben zurecht kommen, – wenn sie wollen – Universitäten besuchen und gute Berufe ergreifen. (Auke Boersma)